Du wirst vermisst
Gastbeitrag von Anja Seemann
Ein paar kurze Worte zur Einführung: Anja kennt ihr mittlerweile als Gastautorin auf meinem Blog. Ich liebe ihre Texte und die Themen, die sie sich für ihre Beiträge einfallen lässt (ein paar davon sind auch schon fertig und für die nächsten Monate geplant). Doch wahrscheinlich spricht ihr kein Text so aus der Seele wie dieser. Anja hat vor genau einem Jahr einen guten Freund verloren: Helge Kösling. Vielleicht kennt ihr ihn sogar, denn er war an der Uni und im Umfeld des Unitheaters sehr aktiv und bekannt. Und selbst, wenn ihr ihn nicht kennt, dann könnt ihr vielleicht trotzdem die Momente, die Anja im folgenden Beitrag beschreibt, nachfühlen und Helge ein bisschen kennenlernen (durch ihre Worte und das eingefügte Video von seinem TEDx-Auftritt im Unikum). Ich habe mich auch sehr gerne auf Partys mit ihm unterhalten und kann mich Anjas Worten anschließen, wenn sie sagt: Du wirst vermisst…

Als ich dich das letzte Mal sehe, schläfst du schon tief und fest. Geräte piepen, regelmäßig, die einen lauter, die anderen leiser. Deine Hand unter der Decke fühlt sich warm an, dein Gesicht sieht entspannt aus und vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, aber ich könnte schwören, dass da ein kleines Lächeln auf deinen Lippen liegt. Später werden wir das Lächeln in der Whatsapp-Gruppe beschreiben und die Adressaten am anderen Ende der verschlüsselten Verbindung schließen die Augen, atmen tief durch die Nase aus und die angestrengten Schultern dürfen ein paar Millimeter tiefer sinken. Ein letztes Mal habe ich dir beim Abschied „Ich hab dich lieb“ gesagt, es ist das erste Mal, dass du den Satz nicht erwidern kannst.
Da sind manchmal so Erinnerungsfetzen; so als ob man ein Buch sehr schnell umblättert und die Augen immer nur kurz auf etwas haften bleiben. Ich bleibe gedanklich stehen bei deinem Gang, deiner Art, wie du deine Brille hältst und vermeintlich mit ihr spielst, deinen Gedanken, so unkonventionell und frisch. Wir beim Eis essen und heute weiß ich nicht, ob du überhaupt besonders gern Eis gegessen hast?! Vermutlich war es dir egal, du hast immer die Gesellschaft geschätzt, das Miteinander, eine Verbundenheit, dafür standest du ein, hast ganz ritterlich Schmerzen in kleine Kammern gesteckt, die Vorhänge aufgerissen mit all der Kraft, damit ein paar Sonnenstrahlen für dich bereit stehen. Verdient hast du einen blauen Himmel mit Zuckerwatte-Wolken und Tage, die wie der Sommer niemals enden. Manches wird einem im Nachhinein noch bewusster, wie der Fakt, dass wir uns sehr ungefiltert begegnet sind.
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