Die Frau, die den Flamenco und spanisches Lebensgefühl nach Oldenburg bringt

Flavie tanzte letzten Sommer zwei Mal bei „Muse, Mampf und Mammon“ auf dem Schlossplatz. Foto: Izabela Mitwollen

Temperamentvoll und leidenschaftlich sind vielleicht die beiden letzten Eigenschaften, die fallen würden, wenn man uns Norddeutsche beschreiben soll. Aber heiße Rhythmen und schwingende Hüften lassen sich trotzdem in Oldenburg finden, und zwar in Flavie Cardonas Flamencotanzkursen. Seit 2009 kann man dort hautnah etwas über die Flamencokultur Spaniens, die aus dem etwa 2500 Kilometer entfernten Andalusien stammt, erfahren.

Bevor ich Flavie zum Interview treffen wollte, musste ich mir erst einmal ein bisschen Hintergrundwissen aneignen, denn ich hatte bei dem Gedanken an Flamenco nur ein sehr schwammiges Bild im Kopf. Typischerweise steckte ich dafür meine Nase in Texte und Artikel über das Thema.

In den Beschreibungen erfuhr ich, dass Flamenco, der wie gesagt im Süden Spaniens seinen Ursprung hat, nicht nur ein Tanz, sondern ein ganzes Kunstgenre ist, das 2010 zum UNESCO-Weltkultureerbe erklärt wurde. Es setzt sich aus Tänzen und Liedern mit eigenen Kostümen und Instrumenten zusammen. Bei Instrumenten fielen mir dann gleich die berühmten Kastagnetten ein; doch Flavie erklärte mir später, dass diese – genauso wie die Nägel im Schuhabsatz und das Klatschen – für den Tanzrhythmus (Percussion) verantwortlich sind. Die Musikbegleitung übernimmt dagegen meist eine Gruppe aus Gitarristen, Sänger, Palmeros (diejenigen, die klatschen) und/oder Cajón-Spieler. Und im modernen Flamenco können auch Saxophon-, Querflöten- oder Geigenklänge den Tanz begleiten. Und neben den berühmten Kastagnetten können auch Boleadoras bestehend aus zwei separaten Leinen mit je einer Hartplastikkugel am Ende, die unabhängig voneinander bewegt werden können, als feuriges, kraftvolles und lebendiges Ausdrucksmittel von Musik und Rhythmus zum Einsatz kommen. Oft tanzt man allerdings auch ohne Kastagnetten und lässt die Arme, Hände und Finger als Ausdrucksmittel wirken.

Beim CIRQUE DU SOLEIL (dem weltweilt größten kontemporären Zirkus aus Kanda) tanzte Flavie mit sog. Boleadoras, die sie hier in den Händen hält. Foto: privat

Nach dieser Lektüre schaute ich mir aber dann noch ein Video an; und zwar auf Flavies Homepage. Es zeigt einen Flamenco-Flashmob in der Oldenburger Innenstadt zum Stadtfest 2019. Die rot-schwarzen, schwingenden Kleider und die hochgesteckten Frisuren mit roten Blüten im Haar waren schon ein toller Hingucker im bunten Stadtfesttreiben!

Ein paar Tage nach meiner Recherche treffe ich Flavie Cardona zum Interview und erfahre, wie sie zum Flamenco gekommen ist und was sie so sehr daran fasziniert. Sie erzählt mir, sie habe immer den Traum gehabt, Tänzerin zu werden und hatte deshalb mit Ballettunterricht angefangen. „Als eines Tages ein professioneller Flamencotänzer, namens Manuel Mureno, als Gast in einer Aufführung meiner Ballettschule war, war ich einfach fasziniert und hingerissen.“ Da wusste Flavie: Genau das möchte sie auch lernen. Dafür musste die gebürtige Oldenburgerin ihrer Heimat allerdings den Rücken kehren. Erst lernte und tanzte sie in Hamburg, dann in Madrid (an der Flamencoakademie „Amor de Dios“) sowie in Sevilla und Jerez und schließlich ging sie sogar mit dem CIRQUE DU SOLEIL auf Asia-Pacific-Tour.

Nachdem sie lange Zeit in Spanien lebte und selbst an der Flamencoakademie unterrichtete, zog es sie zurück in ihre „kleine, gemütliche und schöne“ Heimatstadt. Sie fühlt sich hier verwurzelt und freut sich besonders über den Austausch mit ihren Schüler*innen. „Die eine Tradition bereichert die andere“, sagt Flavie über ihre Gruppen, die aus Frauen und Kindern/Jugendlichen unterschiedlichsten Alters und Nationalität bestehen. In ihren Kursen ist ihr vor allem eine gute Atmosphäre wichtig; auf verbissene Perfektion komme es nicht an, eher auf die gemeinsame Freude am Tanzen. Eine gewisse Disziplin setzt sie allerdings voraus!

Foto: Christian Jongebloed

Mindestens einmal im Jahr zieht es sie aber nach Spanien. Dort nimmt sie dann unter anderem am Flamencofestival in Jerez., Andalusien, teil, wo die „Besten der Besten“ zusammentreffen. Flavie besucht dort täglich Flamencoshows im Theater, begutachtet und erwirbt neue Flamenco-Kollektionen und trifft Freunde, mit denen sie sich austauschen kann. Sie saugt die besondere Atmosphäre und das Lebensgefühl Spaniens in sich auf, um danach ein bisschen davon mit nach Oldenburg zu bringen.

Nach unserem Gespräch gibt Flavie mir noch eine Live-Kostprobe ihres Könnens. Ihre Körperspannung und ihr natürliches Rhythmusgefühl ziehen mich gleich in den Bann. Ich spüre die Leidenschaft, die sie in jede ihrer Bewegungen legt und habe das Gefühl, jeder Kastagnettenschlag ist wie ein elektrischer Impuls, der meinen Körper durchzuckt. Mir dämmert langsam, dass ich mich dem Thema auf dem vollkommenen falschen Weg angenähert habe. Diese eigene Faszination, die den Flamenco von allen anderen Kunstformen unterscheidet, lässt sich nicht aus Büchern oder Bildern herauslesen (und auch bei Videos ist die Distanz noch zu groß), man muss sie einfach selbst (mit)erleben.

Wenn ihr nun Lust auf Flamenco bekommen habt, schaut doch mal auf Flavies Homepage vorbei!

Außerdem ist sie aktuell in der Fotoausstellung „Tatendrang“ in der Kulturhalle am Pferdemarkt zu sehen, die noch bis zum 20.06.2021 läuft.

2 Gedanken zu “Die Frau, die den Flamenco und spanisches Lebensgefühl nach Oldenburg bringt

  1. Andalusien und Norddeutschland – man kann sich kaum eine größere Distanz denken in Europa, geographisch wie mental.

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